Historie von Ubbedissen und Lämershagen
aus dem Bildband
Ubbedissen-Lämershagen
Ubbedissen und Lämershagen sind, wie viele ihrer Nachbarorte, sehr alte
Ortsgründungen, die wahrscheinlich gegen Ende der Völkerwanderungszeit im
ersten nachchristlichen Jahrtausend entstanden sind. Damals verließen
altsächsische Volksteile ihre angestammten Plätze in Holstein etwa und eine
Gruppe, die Ostfalen, ließ sich hier, in dem damals wohl stärker bewaldeten
Gebiet östlich des Teutoburger Waldes, nieder. Dies zeigt die altsächsische Form
der Ortsgründungen: Haufendörfer mit Streusiedlungen und die Streifenlage der
Felder, der Eschflure.
Die beiden Höfe Meyer zu Selhausen und Meyer zu Wrachtrup in Lämershagen
werden die südlichsten Sattelmeyerhöfe genannt. Das deutet auf ihren Bestand zur
Zeit Karls des Großen hin. Der Hof Selihusen wurde in jener Zeit dem Bischof
von Paderborn übereignet. Über 100 Jahre später ging der Hof durch Tausch an
das Stift Schildesche. Dieser Tausch wurde am 19. April 974 von Kaiser Otto II.
zu Quedlinburg bestätigt. Es ist die älteste urkundliche Erwähnung in unserem
Raum. In einer Schenkungsurkunde an das Nonnenkloster Stift Berg in Herford
aus dem Jahre 1151 wird zum ersten Mal Ubbedissen als der Name Ubbihadhusun,
das Haus des Ubbihad, erwähnt.
Über die Jahrhunderte haben sich bestimmte Formen des Zusammenlebens
erhalten, so die Hude als gemeinsame Weidemöglichkeit und die Marken-
genossenschaften. Die Hude für Ubbedissen war die Dingerdisser Heide, die alle
16 Höfe anteilig nutzten und zu pflegen hatten. Außer den sieben Höfen des
»Alten Dorfes« mit dem größten Hof Meyer zu Ubbedissen gab es drei Gruppen
mit jeweils drei Höfen in Frordissen, Dingerdissen und Bechterdissen.
In Lämershagen wurden weite Teile der Senne als gemeinsame Weidemöglichkeit
genutzt. Die Haus- und Hofform entsprach dem in Norddeutschland üblichen
niederdeutschen Hallenhaus, das Menschen, Tiere und Ernte unter einem Dach
barg.
Die Höfe in Bechterdissen standen nach dem 1. Jahr-tausend unter Verwaltung der
Edelherren zur Lippe. Alle anderen Höfe in Ubbedissen waren verschiedenen
kirchlichen und weltlichen Grundherren eigenbehörig; u. a. den Grafen von
Ravensberg und ihren Rechtsnachfolgern. Einige Höfe in der Nachbarschaft des
Hofes Selhausen, am Forellenbach liegende Höfe und Habigsberg a. d.Höhe waren
ebenfalls dem Stift Schildesche eigenbehörig. Etwa um 1200 kamen sie in die
Eigenbehörigkeit der Grafen von Ravens-berg, als diese die Vogtei Schildesche an
sich brachten. Die Bauern hatten dem Grundherren Geld und Sachleistungen (den
Zehnten) zu erbringen, Hand- und Spanndienste zu leisten und Männer für den
Kriegsdienst zu stellen. Der Grundherr war Schutzherr.
Der größte Einzelhof in Lämershagen - Meyer zu Wrachtrup, am südlichen Ende
der Ansiedlung gelegen - kam um etwa 1150 in die Eigenbehörigkeit der
Edelherren zur Lippe. Diese gründeten in seiner Nachbarschaft am Oberlauf des
Forellenbaches fünf Hagen-Höfe, Lewenbrinkshagen genannt.
Im Gegenzug gründeten die Grafen von Ravensberg in einem nord-südlichen
Querpaß des Teutoburger Waldes eine Bauernschaft mit acht Höfen, den
»gräflichen Hagen«. Das zugeteilte Land war für jeden Siedler ein
zusammenhängendes Gebiet, die Waldhufe. Infolge ihrer besonderen
Gründungsform unterstanden die Siedler dem Hagenrecht, einer leichteren Form
der Eigenbehörigkeit. Der Menkebach bildete die Grenze zu Lippe mit dem Hof
Wöstenfeld auf Ravensberger Seite. Auf der Höhe lag gegen Oerlinghausen der
Grenzhof König. Die im Tal liegenden Höfe grenzten mit dem Sussiekbach an
Lippe. In den Auseinandersetzungen zwischen dem Sachsenherzog Heinrich dem
Löwen und Kaiser Friedrich I. Barbarossa standen die Edelherren zur Lippe und
mit ihnen ihre eigenbehörigen Bauern treu auf der Seite des Sachsenherzogs. Um
den größten Hof Meyer zu Wrachtrup zu schützen, wurden auf dem Evertskopf
(Hünensaut) Befestigungen angelegt, die »Löwenburg« genannt wurden. Durch
Abnutzung der Sprache und in Vergessenheit geratene Bedeutung soll daraus der
Name Lämershagen entstanden sein.
Böse Zeiten sind nicht spurlos an den Menschen vorbei gegangen; verschiedene
Fehden, der Dreißigjährige Krieg mit seinen Zerstörungen, Brandschatzungen und
Plünderungen und die Napoleonischen Kriege. Dazu kamen Seuchen, die
Menschen und Tiere dahinrafften und Missernten. Die Bearbeitung des schweren
Bodens mit den Hilfsmitteln der vergangenen Jahrhunderte war kein leichtes
Werk, aber der Boden lohnte mit guten Ernten bei günstiger Witterung. Einige der
alten Familiennamen sind bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben, andere
Familien sind im Mannesstamm oder überhaupt ausgestorben; es fanden sich aber
immer wieder tüchtige Ackersleute, die die Felder weiter bestellten.
Im Jahr 1647 kam die Grafschaft Ravensberg mit ihren Einwohnern nach
Aussterben der Rechtsnachfolger der Grafen v. Ravensberg, der Grafen und
Herzöge von Cleve, Mark u. Berg, durch Erbfall an das damalige Kurfürstentum
Brandenburg. Der neue Landesherr half den Landeskindern die Folgen des
Dreißigjährigen Krieges zu überwinden, indem er die Leinenspinnerei und -
Weberei als Heimindustrie förderte.
Im Jahr 1787 wurden durch Vertrag zwischen Brandenburg - Preußen und Lippe
die verschiedenen Eigenbehörigkeiten ausgetauscht und der Sussiek- und
Menkebach endgültig als Grenze zwischen den beiden Territorien festgelegt.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts eroberte Napoleon große Teile Europas, auch
Preußen und andere deutsche Staaten. Unser Gebiet wurde dem „Königreich
Westfalen“ einverleibt, dessen König Jerome, ein Bruder Napoleons, seinen
Regierungssitz in Kassel hatte. Der tägliche Umgang mit den Besatzern hatte
sicherlich seine Schwierigkeiten.
Nach dem Ende Napoleons wurde die Landreform nach den Steinschen Entwürfen
durchgeführt, und die uralten Eigenbehörigkeiten wurden durch Geldzahlungen
abgegolten, die z. T. bis in das 20. Jahrhundert liefen. Die Hude wurde parzelliert;
so wurde u. a. Siedlungsraum für Kleinbauern und Kötter geschaffen. Die
Ubbedisser Schule im Alten Dorf erhielt aus dieser Markenteilung 5 Morgen Land
(12.500 qm), das nach und nach urbar gemacht wurde und Ackerland erster Güte
ergab, das als Mietwert bei der Lehrerbesoldung berechnet wurde. Die
Lämershagener Bauern erhielten große Anteile der Senne. Es entstanden dort neue
Besitzungen und Kotten. Später kaufte die Firma Windel die Gebiete dieses Teiles
der Senne auf.
Die ersten bekannten Karten unserer Dörfer sind um 1825 entstanden. Sie geben
Auskunft über die Landverteilung und über die Bevölkerung.
Um 1810 wurde zum ersten Mal in der Ubbedisser
Schulchronik vermerkt, dass Einwohner unserer Dörfer aus
verschiedenen Gründen nach Amerika auswanderten.
Politische und wirtschaftliche Gründe haben danach nicht
wenige zur Auswanderung gebracht. Im Jahr 1848 schreibt
der damalige Lehrer Walter, dass die derzeitige Schülerzahl
Ubbedissens von 220 Kindern um 20-30 Kinder gemindert
würde, weil etliche Einwohner, u. a. der Meyer zu
Ubbedissen, nach Amerika auswandern wollten.
In dieser Zeit kam im hiesigen Raum die Leinenspinnerei und
-Weberei zum Erliegen. Die mechanische Spinnerei und
Weberei und die Herstellung von Baumwollstoffen nahm
allen den lebensnotwendigen Neben- und Hauptverdienst;
gleichzeitig gab es Missernten. Es mussten andere
Erwerbsquellen gesucht werden. Viele Männer verließen von
da an vom Frühjahr bis zum späten Herbst den heimischen
Herd und verdingten sich im Westen oder Norden als
Ziegelarbeiter. Den Frauen blieb alle Arbeit im Haus und auf
dem Feld, die Kinder, das Vieh und vieles mehr. Als in
Hillegossen eine Papierfabrik die Arbeit begann, fanden
manche hier einen Arbeitsplatz, andere nahmen Heimarbeit
als Plüschweber an.
In die Schule im Alten Dorf zog 1883 Lehrer Plenge ein. Er versah über 40 Jahre
seinen Dienst in Ubbedissen und erlebte 1894 den Bau einer neuen Schule an der
Detmolder Straße, die außer den Klassenräumen Wohnungen für 2 Lehrkräfte bot.
Entlang der Detmolder Straße wurden immer mehr Häuser gebaut und Geschäfte
eröffnet. Sie wurde zum eigentlichen Mittelpunkt des Dorfes Ubbedissen
Im Jahre 1904 wurde die Eisenbahnlinie Bielefeld - Lage - Hameln in Betrieb
genommen. Da in Ubbedissen ein Haltepunkt angelegt wurde, fanden die Ubbe-
disser vermehrt Erwerbsmöglichkeiten in anderen Orten, so in der aufblühenden
Bielefelder Maschinenindustrie und in den Nähereien. Viele Frauen nähten nun in
Heimarbeit Weißwaren und Konfektion für Bielefelder Firmen.
Landverkäufe und Erbteilungen förderten den Hausbau an neu angelegten Straßen.
Das Ortsbild wurde so verändert, doch finden wir noch die Spuren, die uns helfen,
den Ursprung zu erkennen.